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DPV-Bundestrainer

Fragen an Sönke Backens

Am 1. Juni hat Sönke Backens (Freiburg) die Position des Frauen-Bundestrainers im DPV übernommen. Als Assistentin hat er die ehemalige Nationalspielerin Susanne Fleckenstein an Bord geholt.
Am 25./26. Juli kommt es zu einer ersten Begegnung mit dem aktuellen Kader. Aus diesem Anlass beantwortet der frühere Nationalspieler Fragen, die ihm per E-Mail vorgelegt wurden.

Sönke, wo steht das deutsche Frauen-Pétanque im internationalen Vergleich?

Sönke Backens (gebürtiges Nordlicht, Jahrgang 1969) lebt in Freiburg im Breisgau.

SB | Im Pétanque nehmen Profis und Amateure gemeinsam an derselben Europa- oder Weltmeisterschaft teil, was sicherlich zu beachten ist und einen Vergleich erschwert. In einigen asiati­schen Länderns können die Spielerinnen beispielsweise 6-8 Stunden täglich trainieren. Aber auch einige der bisher nicht so beachteten europäischen Länder wie Polen entwickeln sich stark weiter, indem sie Know-how in ihr Land holen und systematisch trainieren.

Der 42. Platz auf der letzten WM in Kambodscha wird dem Leistungsvermögen der Spielerinnen natürlich nicht gerecht. Um international oben mitspielen zu können, brauchen wir aktuell und zukünftig eine gute Strategie und die konsequente Umsetzung der daraus resultierenden Maßnahmen. Und wir benötigen dazu die passenden boulebegeisterten Spielerinnen, kompetente Trainerteams sowie die Unterstützung der zuständigen DPV-Verantwortlichen. Davon bin ich überzeugt.

Deine Handschrift als Trainer: Worauf legst Du ganz besonderen Wert? Was wird Deine Arbeitsweise auszeichnen?

SB | Ich mag Freude, Neugierde, Offenheit, Leidenschaft und Struktur. Und ich habe einen Plan, wie ich die Nationalspielerinnen bestmöglich unterstützen kann, um Spiele zu gewinnen. Sie davon zu überzeugen und ihnen klarzumachen, dass das nur als Team möglich ist, in dem unterschiedliche Charaktere akzeptiert werden, das wäre großartig. Und wenn sie dann abenteuerreisen und sich rückblickend an wunderbare Gemeinschaftserlebnisse erinnern werden, dann - wow! Darum geht´s doch - neben anderem - im Leben.

Noch gibt Corona den Takt vor. Hast Du trotzdem schon erste konkrete Termine ins Auge gefasst? Womit könnte es praktisch losgehen?

SB | Wenn auch coronabedingt etwas in den Möglichkeiten eingeschränkt, werden wir demnächst unser erstes Treffen haben. Es wird dabei beispielsweise darum gehen, uns gegenseitig kennenzulernen. Außerdem werde ich den Spielerinnen meine Vision verständlich machen und was für deren Umsetzung erforderlich ist.

Bei Deinem Amtsantritt gab es einen achtköpfigen Damenkader. Du hast diesen Kader Ende Juni umgebaut und auf sechs Namen reduziert und - wenn ich's richtig sehe - vor allem weiter verjüngt. Das ist vermutlich Programm - oder?

Verena Gabe (BaWü), Lucia Beil (Bay), Tess Hauptvogel, Anna Lazaridis (beide NRW), Eileen Jenal (Saar) und Corinna Mielchen (NRW) sollen's jetzt richten. Neben diesem Kader-Sextett wurden auch Anna-Maria Bohnhoff und Carolin Birkmeyer (beide NRW) zur ersten Sichtung eingeladen.

Von den aktuellen Spielerinnen sind Susi (Co-Trainerin) und ich überzeugt. Wir haben eine klare Vorstellung davon, welche Vorausset­zungen eine Nationalspielerin mitbringen sollte. Dazu haben wir im Vorfeld viele Spielerinnen beobachtet und analysiert. Zukünftige Potential­entfaltungsmöglichkeiten ist eines vieler Kriterien, deshalb auch die Verjüngung.

Präsident Michael Dörhöfer hat kürzlich betont, dass das Frauen-Team und sein Abschneiden bei den World Games über die gesamte Sportförder-Kulisse für den Verband entscheidet. Ein deutlicher Erfolgs­druck. Wird es konkrete Zielverein­barungen mit dem Präsidium geben?

SB | Druck? Nein, den habe ich als Trainer absolut nicht. Vielen ist nicht bewusst, dass Druck nie da ist. Den konstruiert jeder selbst oder lässt ihn von außen an sich rankommen. Darüber kann man selbst entschei­den. Und das ist toll, sofern man weiß wie. Das klingt jetzt unglaubhaft, oder? Stimmt aber ... Entscheidend ist doch, dass ich als Trainer mein Bestmögliches gebe. Das ist die Zielvereinbarung mit mir selbst.

Stichwort: personelle Kontinuität. Im Damen- wie im Herrenkader gab es in den letzten Jahren viel Fluktuation. Mir scheint, nur wenige Aktive können die Einsätze und Pflichten im DPV-Dress über viele Jahre hinweg mit Ausbildung, Beruf und Familie vereinbaren. Gibt es da einen Ausweg?

SB | Da nehme ich gerne Bezug auf deine Frage drei: Womit könnte es losgehen? - Was nützt mir die beste deutsche Spielerin, wenn sie aufgrund ihrer Lebensumstände nicht regelmäßig verreisen kann? Oder Flugangst hat und deshalb nicht in den Flieger steigt. Paddelnd wird´s schwer mit einer Weltmeisterschaft in Neukaledonien ...

Unter anderem deshalb wird es damit losgehen, dass ich mich genauer darüber informiere, wie das private und berufliche Umfeld einer Nationalspielerin aussieht. Aufgrund dessen lässt sich zumindest besser einschätzen, wie hoch die zukünftige Wahrscheinlichkeit des Wegfalls einer Spielerin sein wird. Ein möglicher Ausweg wäre sicherlich die Ausbildung einer größeren Anzahl von fantastischen Spielerinnen, auf die die Trainer zurückgreifen können.

Reiseziele. Die Nationale Viehmarkthalle von Torrelavega war 2016 schon einmal Schauplatz einer Espoirs-EM. - 2022 richtet die nordspani­sche Mittelstadt die nächste Frauen-EM aus. Vorher, im späten November 2011, wird Thailand einmal mehr Gastgeber einer Frauen-Weltmeisterschaft sein.

Nochmals Stichwort: personelle Kontinuität. Ist Dein Vertrag mit dem DPV zeitlich begrenzt? Hast Du Dir vielleicht selbst ein Limit gesetzt?

SB | Mein Vertrag ist zeitlich unbegrenzt. Das Präsidium und ich streben eine Zusammenarbeit für zwei Jahre an, um danach weiter zu entscheiden. Personelle Kontinuität ist beiden Seiten wichtig. Unsere Vorgespräche sind übrigens absolut positiv verlaufen und bisher bin ich mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden.

Du hast an mehreren Standorten in Deutsch­land, in der Schweiz und in Frankreich ein vielfältiges Kursprogramm aufgebaut, mit und ohne Urlaubsarrangement. Wirst Du dieses Angebot nun einschränken müssen?

SB | Jogi-Löw-Ausmaße verfehlt mein Bundes­trainergehalt knapp. Deshalb wird mein Boule­kursprogramm weiterhin uneingeschränkt angeboten werden. Zukünftig werde ich nur noch an drei bis vier Turnieren im Jahr teilnehmen, um die eingesparte Zeit für die Nationalmannschaft zur Verfügung zu haben. Diese Herausforderung fasziniert mich derzeit weitaus mehr. Auch wenn ich natürlich weiterhin wie alle Spieler jedes Turnier gewinnen möchte ...

Sönke, besten Dank für diese Antworten. - Sehr gerne, Ulli!

22.07.2020